Jakob Ott

Schneidermeister

Natürlich gab es in der "Handwerkerhochburg" Kipfenberg auch jede Menge Fachleute für schicke Kleidung und Schuhe. Eine Art "Platz­hirsch" im Modegewerbe war Heinrich Ott (1877–1959), in dritter Generation Schneidermeister in Kipfenberg. Während Papa Heinrich in seiner Werkstatt (heute Salvatorgässchen 6) mit Nadel und Faden hantierte, ging Spross Jakob strawanzen. Man könnte meinen, er habe im Kipfenberg der 1920er Jahre eine modische Revolution an­zetteln wollen, dieser "Ott-Jackl", wenn er mit kessem Homburg-Hut, Seidenkrawatte und Einstecktuch posiert.

Kein Zweifel, die 1920er waren Goldene Jahre, auch für das Schnei­derhandwerk. Familie Ott war geachtet. Und Vater Heinrich ein geselliger Typ. Er war eifriger Fasenickl, sang im "Liederkranz" und spielte Trompete - zur Gaudi der Leute und Ärger des Gendarmen sogar vom Wirtshausdach herab... Die gutbetuchten Kipfenberger gingen in Heinrichs Herrenkleidergeschäft ein und aus, denn mit zweireihigen Westen und eleganten Nadelstreifenanzügen konnten sie ihren Wohlstand zeigen. Den einfachen Leuten hingegen blieb nur ver­gilbtes Leinen statt Tuch. Und ihre Hemden flicken sie selbst.

In den 1930er Jahren wendete sich das Blatt jedoch auch für die Otts. Sogenannte "Stör-Schneiderinnen", die keiner Zunft angehörten, machten dem Schneider für billiges Geld Konkurrenz. Jakob musste mit ansehen, wie der Betrieb seiner Vorväter 1930 versteigert wurde und an Schneiderfamilie Renner überging. Es folgten magere Jahre. 1933 wurde den Otts der Strom abgedreht. Vater Heinrich musste sich für ein paar Mark als Mesner verdingen. Irgendwie kämpften die Otts sich aber durch. 1954 taucht ein Schneider Ott – unser fescher Jakob? - im Kipfenberger Rechnungsbuch auf. Für 256 Mark hatte er den kommunalen Leichenträgern zwei neue Mäntel genäht. Haben diese guten Mäntel den 1966 verstorbenen Jakob sogar überlebt?

Unsere Leitfigur:

Jakob Ott (†1966) zeigt sich bei einem Ausflug mit dem VfB-Fußballern in den 1920er als Mann von Welt. (Foto: Sammlung G. Schöpfel, Repro: E. Ettle, Handwerk, S. 251)