Typische Vergehen, die im Kipfenberger Amtsgericht verhandelt wurden, waren „grober Unfug“, Wild- und Waldfrevel, Wirtshausraufereien, Beleidigung der Staatsgewalt. Einige Delinquenten wurden in die „Keuchen“ gesteckt, wie man die eisenvergitterten Zellen in der alten Fronfeste auf dem Geisberg nannte. Auch Schulschwänzer darbten dort manchmal bei Wasser und Brot. Es sei denn, sie waren pfiffig genug, um abzuhauen…
Schulschwänzer büxt aus Frohnfeste aus
„Der Feiertagsschüler S. hatte wegen fortgesetzter Schulversäumung eine mehrtägige Haftstrafe in der Landgerichtsfrohnveste abzubüßen. Der Aufenthalt daselbst mochte dem jungen Taugenichts denn doch zu prosaisch vorkommen; er sann auf Flucht und wirklich nicht vergebens. Mit wahrem Zetergeschrei rief er, dass sein s.v. [salva venia = “mit Verlaub zu sagen”] hölzerner pot de chambre [sein Nachttopf] rinne. Die Frau des Gerichtsdieners ließ sich endlich auch bestimmen, in seiner Keuche [Zelle] nach dem angegebenen Uebelstande zu schauen, aber während dieselbe eifrigst nach dem Grunde des fingierten Uebelstandes sucht, ist S. mit einem Satze aus der Zelle und mit wenig Sprüngen aus der Frohnveste. Das geriebene Bürschchen vergaß aber nicht, bei seiner Flucht die Zelle zu verriegeln, so dass die gutmüthige Gerichtsdienersfrau mehrere Stunden lang die Süßigkeiten des Eingesperrtseins verkosten musste.“ (Eichstätter Volkszeitung, 11.4.1879, Text bei Ettle, Gemeindemänner, S. 72)
Karneval 1923: Gendarmerie nimmt renitente Maskenträger fest
“[…] Trotzdem konnten es einige junge Leute nicht unterlassen, am 6.1. abends als Masken herumzulaufen. Einige wurden demaskiert und mußten je 600M Strafe bezahlen. Am folgenden Sonntag, 11.1. kamen zur Unterstützung der hiesigen Gendarmerie noch 6 Mann Verstärkung aus den umliegenden Stationen, um etwa das Festnehmen von Masken zu ermöglichen. Das wurde aber bald bekannt u, der Erfolg war gleich null.” (Gemeindechronik, 1921, zit. Ettle, Gemeindemänner, S. 79)
„Behüt Dich Gott, es wär so schön gewesen…“: Schneider Ott spielt Protestlieder auf dem Wirtshausdach
Fasching 1923 ohne Maskererlauf? Undenkbar! Also war er hinaufgeklettert auf das Dach des Wirtshauses “Zur Krone”, unser Schneidermeister Ott, um dort mit seiner Trompete lautstark anzuschmettern gegen das Maskenverbot. Doch flugs wurde der Provokateur vom Dach geholt und wegen Ruhestörung angezeigt. Das Gericht verdonnerte ihn daraufhin zu einer Geldstrafe von 500 Mark. Glück im Unglück für den Mann, dass gerade Inflationszeit und die Strafe bald nur noch “Peanuts” war (500 Mark hätte Ott am 31. Jan. 1923 für das Porto von 10 Briefen, Inland, auf den Tisch legen müssen; im Oktober desselben Jahre hätte er schon 2.000.000 Mark gezahlt für nur einen Brief…)
“Nach einer Anzeige der Gend. Kipfenberg vom 15. März 1923 sollen Sie am Fastnachtdienstag 19123 dadurch groben Unfug verübt haben, daß Sie von einem Dachfenster sowohl der Käßer’schen wie der Müller’schen Gastwirtschaft in Kipfenberg herab ersichtlich aus Ärger über das von der Regierung verhängte und von der Gendarmerie hier auf seine Befolgung überwachte Maskentreibenverbot demonstrativ mit einer Trompete die Melodie zu dem Liede ‘Behüt doch Gott, es wäre so schön gewesen’, bliesen, und sich dadurch gegen §360 Z. 11 R.St.G.B. verfehlt haben.” (Aus dem Strafbefehl der Staatsanwaltschaft, zit. Ettle, Metropolen, S. 147)
Bürgermeister wettert gegen Steuern und "Großkopferte"
„Ein Birgermeister war zerscht aa bloß ein gewöhnlicher Mensch von der unteren Sortn, der wo sei Arbeit macht oder ein raunziger Handwerker is, der wo im Wirzhaus auf die Schdeiern schimpft und auf de Höchern mit eahnere fettn Gnack , wo einem s Blaue vom Himme runter vaschprecha und nacha hinterfotzich ganz was anders machen.“ (Hopfner, Lacha dade – Schmunzelgeschichten aus dem Altmühltal, 1990, S. 80)
Gesucht: Neuer Bürgermeister lesen soll er können und ordentlich sein
“Zur Stelle des Gemeinde-Vorstehers soll ein solches Gemeinde-Glied gewählt werden, welches zu den Geschäften brauchbar ist: lesen, schreiben und rechnen versteht; einen ordentlichen Lebenswandel führt; als ein guter Hauswirth bekannt ist; Erfahrung und Bescheidenheit besitzt, und das Geschäft selbst nicht mit solcher Abneigung antritt, von welcher sich auch in der Folge keine genaue Erfüllung der damit verbundenen Obliegenheiten erwarten lässt.” (Bayerische Gemeindeordnung vom 24.9. 1808, veröff. im Eichstätter Intelligenzblatt)
Beamte nicht wählbar! Staatsdiener ohne Chance auf Bürgermeisteramt
“Aktive Staatsdiener, Geistliche, öffentlich angestellte Lehrer, Notare, besoldete Bedienstete der Gemeinde oder Kirche können die Stelle eines Bürgermeisters […] nicht bekleiden.” (Gemeindeordnung v. 1869)
Bis zur Mitte des 20. Jhs. haben nahezu alle Kipfenberger Bürgermeister ihr Brot als Handwerker verdient – kein Wunder, angesichts des schmalen Gehalts. Sie waren: Bierbräuer, Schuhmachermeister, Maurermeister, Posthalter, Pfarrer, Seifensiedermeister, Kaminkehrermeister, Apotheker, Uhrmachermeister, Bäckermeister, Drechslermeister, Sattelmeister, Wagenmeister,…